Sag mir wo du stehst

Kooperation mit Inge Mahn & Katharina Karrenberg
Planen, Lautsprecher, Performance mit Chor
Fotos: Kati Gausmann

im Rahmen des Projektes mitBestimmung, Ausstellungsprojekt der Hans-Böckler-Stiftung DGB-Haus Berlin, D, 2004

Durch das mit Bauplanen verhüllte Treppenhaus des Gewerkschaftshauses Berlin klingen Arbeiterkampflieder der frühen Arbeiterbewegung in Kaufhausmusik-Lautstärke. Zur Eröffnung werden die Lieder von einem Chor vorgetragen. Die Mitglieder des Chors werden später interviewt zu ihren Hintergründen und Gedanken beim Singen, die Interviews liegen zum Nachlesen im Treppenhaus aus.

 

 

Fragen an den Chor:

  1. Woran denkst du beim Singen von Arbeiterliedern?
  2. Hat Dich der Kampfgeist beim Singen erfasst?
  3. Singst Du seitdem Arbeiterkampflieder?

Die Antworten:

Name: Ruth
Alter: 30
Beruf(e): Bäckermeisterin, Mutter

Wohnort: aufgewachsen im Westen, von 1994 bis 2000 in Potsdam Heimat gefunden, als Handwerkerin gereist, zur Zeit dabei in Würzburg seßhaft zu werden.

1. Es kommt mir so vor, als seien die Verhältnisse zu Zeiten, als diese Lieder (vor allem die älteren und für mich interessanteren und überzeugenderen unter ihnen) geschrieben wurden, noch klarer gewesen.

Da heißt es: “in Erwägung, ihr hört auf Kanonen… werden wir… die Kanonen auf euch dreh’n”

Auf wen würde ich heute die Kanonen drehen? Die Schwierigkeit, mich zu wehren, liegt für mich oft schon darin, daß mein “Gegenüber” nicht wirklich zu fassen ist. Ganz ehrlich muß ich sagen, daß ich in vielen Mißständen ja zu der Verursacherseite gehöre, die Kanonen also auf mich gedreht werden müßten.

Dann merke ich auch: Ich will überhaupt gar nicht mit Waffengewalt kämpfen.

2. Erfaßt mich Kampfgeist? Mich erinnern die Lieder mal wieder an das viele, wogegen es zu kämpfen gälte. Den Kampfgeist, der aus ihnen aufsteigt aber empfinde ich als historisch. Der hat mit mir persönlich nicht viel zu tun.

3. Mich haben die Lieder noch tagelang sehr beschäftigt, nicht nur weil ich sie als Dauerohrwurm nicht mehr los wurde.

Name: Rita
Alter : 30
Beruf/Funktion:  Bühnenbildassistentin
Wohnort: Berlin

1. An die Schulzeit im Osten, meine Musiklehrer und Mitschüler. Mit letzteren haben wir manchmal die Texte umformuliert oder sie auf uns „arme, unterdrückte“ Schüler umgemünzt. Bei der „Internationale“ geht mir immer der Streit mit unseren Lehrern durch den Kopf: als Kind katholischer Eltern gehörte es zur Wahrung der „Ehre“ dazu, das Singen der zweiten Strophe „Es rettet uns kein höheres Wesen, kein Gott…“ zu verweigern. Ein wenig Courage gehörte dazu, aber es war auch so was wie eine sportliche Mutprobe unter uns Nichtpionieren. Die erste und dritte Strophe haben wir alle brav gesungen, denn gegen Unterdrückung hatte ja selbst Jesus was. Es war auch so was wie eine sportliche Mutprobe unter uns Nichtpionieren. Die erste und dritte Strophe haben wir alle brav gesungen, denn gegen Unterdrückung hatte ja selbst Jesus was….

2. Ja klar, aber das liegt wohl in der Natur der Marsch – lastigen Melodien.

3. In schwachen Minuten ganz laut.

Name:Bettina
Alter: 28
Beruf(e)/ Funktion: Studentin
Wohnort: Berlin

1. …an Veränderung in der Geschichte – was für Positionen von Leuten vertreten wurden, wie sich Zeiten änderen…. wie sich alte Forderungen nach Umverteilung von Reichtum verändert haben, und wie viel offener noch vor 80 Jahren gesellschaftliche Widersprüche thematisiert und ausgekämpft wurden….was als eine alltägliche politische Position erschienen ist im Vergleich zu heute, was zur Diskussion stand… und mit wieviel mehr Power bestehende Verhältnisse auch ganz grundsätzlich in Frage

gestellt wurden… die Wut über die angepassten Gewerkschaften …. wie diese Lieder autoritären DDR- Strukturen bei der Identitäts- und Herrschaftssicherung behilflich waren – wo eben einige andere Mitsingende die Lieder kennengelernt haben…

2. …Spaß hat es gemacht – was vielleicht auch eine Art Kampfgeist ist… die Melodien haben was Powerfulles und Mitreißendes…..einige ausgelöste Assoziationsketten unangenehmer Seiten und der oft miltärische Sound hauen einem jedoch dabei unangenehm vor den Hinterkopf……wegen der positiveren  Assoziationsketten, und da Singen eine super Tätigkeit ist, bin ich gutgelaunt nach Hause gegangen…